Dresden und der 13. Februar – Die Geschichte nach der Vergangenheit

Trauma, Tragödie oder Mythos sind einige Stichworte die wir in Dresden unweigerlich mit einem Datum verbinden, dem jährlich gut gepflegten 13. Februar. Aus dem Stadtbild ist er weitestgehend entschwunden, dafür manifestiert er sich umso stärker in der Stadtgesellschaft. Fast schon ein Affront war es, dass dieses Jahr kein offizielles Gedenken auf dem Heidefriedhof stattfand. Warum ist Gedenken in Dresden so besonders kompliziert, so verfänglich und umstritten? Nahezu alle Dresdner*innen dürften über diese Frage einmal gemutmaßt haben. Gestern konnten wir das in gemeinsamer Runde zusammen mit dem Historiker Prof. Christoph Meyer bei meinem Stadtgespräch.

„Dresden, ein Trauerfall? – Geschichtsmythos und politische Kultur“, so der Titel der Veranstaltung. Anstelle der Dresdner Besonderheit wurde jedoch anfangs die Dresdner Gewöhnlichkeit betont. Dresden war vergleichsweise weniger bis gleichermaßen intensiv von Zerstörung betroffen, wie zahlreiche westdeutsche Großstädte (Köln, Hamburg, Münster oder Kassel), ganz zu schweigen von Berlin. Und Dresden war genauso Teil des NS-Staates, wie alle anderen deutschen Städte. Es war keine bloße Residenz blühender Kultur und Künste, sondern eine aus der Industrialisierung gewachsene Großstadt (Anfang 19. Jahrhundert: ~100.000 Einwohner, Anfang 20 Jahrhundert: ~500.000 Einwohner).

Doch in Dresden fielen drei Dinge zusammen: Der politische Missbrauch, die für lange Zeit sichtbar ins Stadtbild eingravierte Zerstörung und die Konzentration auf die Ereignisse am 13. und 14. Februar. Das trügerische Selbstbild der unschuldigen Stadt tat ihr übriges. Die Gedenkanlage auf dem Heidefriedhof war Ausdruck dieser fatalen Opferinszenierung –Dresden eingereiht neben den symbolträchtigen Orten nationalsozialistischer Verbrechen, wie Coventry, Leningrad, Warschau, Theresienstadt, Buchenwald und schließlich Auschwitz. Der Überhöhung Dresdens als Schauplatz eines Kriegsverbrechens der Alliierten, welches den deutschen Kriegsgräueln und den NS-Verbrechen in nichts nachsteht, stand nichts entgegen.

Eine Randnotiz zu den Folgen der instrumentalisierenden Geschichtserziehung bemerkte Prof. Meyer beiläufig mit Blick auf aktuelle Entwicklungen: Das Bild sinnloser angloamerikanischer Zerstörung, welches auch die DDR konservierte und in den Gegensatz zum russischen Soldaten als Freund und Befreier stellte, bricht an erstaunlichen Stellen heute noch durch, wenn pauschaler Antiamerikanismus mit vorbehaltsloser Russlandfreundschaft zusammentrifft.

Der große Konflikt eines würdigen Gedenkens leitet sich jedoch nicht nur von seinem jeweiligen Missbrauch ab. Vielmehr ist es ein Dilemma. Gedenkt man Dresden im Sinne eines alleinstehenden Ereignisses, überhöht man die traurige Banalität des ins Deutsche Reich zurückgekehrten Bombenkriegs und blendet die Ursachen aus. Gedenkt man Dresden im gleichen Atemzug, wie den Opfern von Krieg und Nationalsozialismus, verliert sich die Mitschuld und Mitverantwortung hinter dem eigenen Opferbild.

Mit einigem Abstand und der nötigen Bereitschaft erschließt sich vielleicht das gesamte Bild einer 12 Jahre währenden Selbstzerstörung der Kunst- und Kulturstadt. So zumindest, wenn der 13. Februar gleich dem Verlauf der griechischen Tragödie als Höhepunkt und trauriges Finale einer Entwicklung erkannt wird, die mit der ersten deutschen Bücherverbrennung, der ersten despektierlichen Ausstellung „Entartete Kunst“, oder der Zerstörung der von Gottfried Semper entworfenen Synagoge begann.